Marcus Tullius Cicero

Vier Reden gegen Catilina
In Catilinam Orationes quattuor

Nachdem Lucius Sergius Catilina seit 66 v.Chr. mehrmals bei den Wahlen um das Amt des Konsuls gescheitert war, plante er einen Putsch, um mit Gewalt das höchste Amt der Römischen Republik zu erlangen. Vorgesehen waren die Ermordung der amtierenden Konsuln und eines Großteils der Senatoren, Aufstände in den Provinzen, Brandstiftung und Terror in Rom sowie die militärische Besetzung der Hauptstadt durch rasch aufgestellte Truppen von Freiwilligen, rekrutiert aus Unzufriedenen, Verschuldeten und Verbrechern.

Aber der (63 v.Chr.) amtierende Konsul Marcus Tullius Cicero erfuhr früh von dieser Verschwörung (s.a. Sallust Verschwörung des Catilina) und begann Gegenmassnahmen zu ergreifen. Die Schwierigkeit war, dass auch Mitglieder des Senats und amtierende Beamte in die Umsturzpläne involviert waren. Noch fehlten handfeste Beweise, noch fürchtete Cicero mit übereilten Aktionen Mitverschwörern die Gelegenheit zum Untertauchen zu geben und wegen ungerechtfertigter Maßnahmen gegen (angesehene) römische Bürger im Nachhinein sogar bestraft zu werden.

1. Rede gegen Catilina

Diese Rede hielt Cicero, der eben erst einem Mordanschlag entgangen war, am 7. November 63 v.Chr., als die Konsuln bereits vom Senat mit den umfassensten Vollmachten ausgestattet waren. Catilina saß (weiterhin) unter den anderen Senatoren und Cicero wandte sich direkt an ihn:

Wie lange, Catilina, willst du unsere Geduld mißbrauchen? Wie lange soll diese deine Raserei ihr Gespött mit uns treiben? Bis zu welchem Ende soll die zügellose Frechheit ihr Haupt erheben? — Cicero: Reden gegen Catilina 1,1 (Ü: Dietrich Klose)

Cicero trägt alles vor, was er gegen Catilina in der Hand hat: der skrupellose Charakter, alle Gerüchte über seine bisherigen Untaten, die Mordversuche und Komplotte wie auch die unbewiesenen Pläne der Verschwörer. Trotz der überzeugenden Argumente zögert der Konsul mit dem Durchgreifen.

Gleichwohl gibt es gar manche in dieser Versammlung von Senatoren, die, was bevorsteht, entweder nicht sehen oder, was sie sehen, nicht wahrhaben wollen; — Cicero: Reden gegen Catilina 1,30

Der Konsul will Catilina zur Flucht aus Rom bringen: er rät ihm zum freiwilligen Exil – wohlwissend, dass dies für den ehrgeizigen Catilina nicht in Frage kommt –, oder Farbe zu bekennen und seine in Etrurien aufgestellten Truppen aufzusuchen. Wobei Cicero hofft, dass auch alle Gefolgsleute des Catilina Rom verlassen würden.

Durch die Beseitigung dieses einen [Catilina] kann dagegen […] die Verseuchung des Gemeinwesens eine Weile zurückgedrängt, nicht aber für immer erstickt werden. Wenn Catilina jedoch fortstürzt und die Seinen mitnimmt und ebendort die übrigen Schiffbrüchigen von allen Seiten zusammenliest und um sich schart, wird nicht nur diese Pest, die sich schon im Gemeinwesen entwickelt hat, sondern auch Wurzel und Keim alles Verderbens ausgelöscht und vertilgt werden. — Cicero: Reden gegen Catilina 1,31

2. Rede gegen Catilina

Tatsächlich ist des Cicero gelungen, mit seiner 1. Rede Catilina zur Abreise aus Rom zu bewegen. Am darauffolgenden Tag – dem 8. November 63 v.Chr. – wendet sich der stolze Konsul ans Volk:

Endlich haben wir denn, Quiriten [die offizielle Bezeichnung der Bürger], den wahnsinnig verwegenen, Verbrechen schnaubenden, an der Versuchung des Vaterlandes frevelhaft arbeitenden, euch und diese Stadt mit Feuer und Schwert bedrohenden Catilina aus der Stadt hinausgeworfen oder hinausgelassen […]. Er ist gegangen, gewichen, entronnen, ausgebrochen. Kein Unheil mehr wird von diesem Ungeheur und Scheusal gegen die Stadt selbst innerhalb ihrer Mauern gestiftet werden. — Cicero: Reden gegen Catilina 2,1

Freilich muss Cicero erklären, weshalb er Catilina hat entkommen lassen:

Und wenn ich der Überzeugung wäre, daß die Beseitigung Catilinas euch von aller Gefahr befreite, so hätte ich ihn schon längst beseitigt, nicht nur auf die Gefahr des Hasses hin, sondern auch meines Lebens.
Ich aber sah, daß ich zu einer Zeit, wo nicht einmal euch allen die Sache als erwiesen galt, infolge der Empörung, wenn ich Catilina verdientermaßen mit dem Tode bestrafte, nicht imstande wäre, seine Genossen zu verfolgen. Deshalb habe ich es nun so weit gebracht, daß ihr offen mit ihm kämpfen könnt, wenn ihr ihn offen als Feind betrachtet. — Cicero: Reden gegen Catilina 2,3f.

Und Cicero klagt offen, dass viel zu wenige Anhänger des Catilina mit diesem Rom verlassen haben. Ebenso verteidigt er sich gegen den Vorwurf, Catilina (unschuldig) ins Exil getrieben zu haben, da dieser bei seinem Weggang hatte verbreiten lassen, nach Massilia ins Exil zu gehen.

Mag es denn heißen, er sei von mir ins Exil gejagt worden, wenn er nur ins Exil geht.
Aber, glaubt mir, er wird nicht gehen. […] Jene indes, die verbreiten, Catilina gehe nach Massilia, beklagen es nicht so sehr, wie sie es befürchten. — Cicero: Reden gegen Catilina 2,15f.

Nachdem Cicero über die Senatssitzung vom Vortag berichtet hat und genau auseinandersetzt, wer die Anhänger des Catilina sind, ruft er die Bürger zur Wachsamkeit und Verteidigung auf.

3. Rede gegen Catilina

Am 3. Dezember 63 v.Chr. wandte sich der amtierende Konsul Cicero neuerlich zum Thema Catilina ans Volk:

Nochmals berichtet Cicero – voll des Lobes für sich selbst – über die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen. Und endlich kann er mit Beweisen aufwarten: Am Vortag wurden Verschwörer an der Mulvischen Brücke verhaftet, die kompromittierende Briefe mit sich führten. Im Verhör vorm Senat gestanden die Festgenommenen – sofern sie nicht für Cicero gearbeitet hatten. Publius Lentulus musste seine Praetur niederlegen, Gaius Cethegus sein Senatorenamt. Zusammen mit den equites Publius Gabinius und Lucius Statilius wurden sie (vorerst) in eine freie Haft genommen, d.h. bei angesehenen Bürgern unter Hausarrest gestellt.

Jetzt, Quiriten, da ihr die frevelhaften Führer des so verbrecherischen und gefährlichen Krieges bereits gefangen und in sicherem Gewahrsam habt, dürft ihr annehmen, daß alle Truppen Catilinas, alle seine Hoffnungen und Kräfte zusammengebrochen sind, nachdem diese Gefahren von der Stadt abgewendet sind. — Cicero: Reden gegen Catilina 3,16

Voller Stolz und Eigenlob erklärt Cicero, wie richtig seine bisherige Vorgangsweise gegen die Catilinarier war.

Für diese so großen Leistungen, Quiriten, verlange ich von euch keine Belohung meiner Tapferkeit, kein Zeichen der Ehre, kein Denkmal des Ruhmes außer der bleibenden Erinnerung an diesen Tag. — Cicero: Reden gegen Catilina 3,26

Dennoch mahnt Cicero seine Mitbürger nochmals zu Wachsamkeit.

4. Rede gegen Catilina

Am 5. Dezember 63 v.Chr. beriet der Senat über die Strafen der verhafteten Verschwörer, während Catilina noch ungestört bei seinen Truppen in Etrurien weilte und die endgültige Niederschlagung des Putschversuches noch ausstand.

Wie schwer das Verbrechen ist, das man euch angezeigt hat, seht ihr; wenn ihr glaubt, daß nur wenige daran beteiligt sind, irrt ihr gewaltig. Weiter, als ihr meint, ist dieses Unheil ausgesät; […]. Durch Hinhalten und Aufschieben läßt es sich keineswegs beseitigen, ihr müßt, auf welche Weise auch immer, schnell zur Bestrafung schreiten.
Wie ich sehe, liegen bis jetzt zwei Ansichten vor, eine von Decimus Silanus, der dafür stimmt, daß diejenigen, die dies alles hier zu vernichten versucht haben, mit dem Tode zu bestrafen seien; die andere von Gaius Caesar, der die Todesstrafe verwirft, aber alle Bitternisse der übrigen Strafen einschließt. — Cicero: Reden gegen Catilina 4,6

Die Todesstrafe für einen römischen Bürger bedurfte seit dem Sempronischen Gesetz (123 v.Chr.) der Zustimmung der Volksversammlung, konnte also nicht vom Senat alleine ausgesprochen werden. Die Frage ist: handelt es sich bei den Angeklagten überhaupt um römische Bürger?

Aber Gaius Caesar sieht erst recht ein, daß das Sempronische Gesetz für römische Bürger gegeben ist: wer jedoch ein Feind des Gemeinwesens sei, könne keinesfalls Bürger sein … — Cicero: Reden gegen Catilina 4,10

Mitte November waren Catilina und Manlius (der in Etrurien die Truppen sammelte) offiziell zu hostes populi Romani erklärt worden, zu Feinden des römischen Volkes.

Die weiteren Geschehnisse

Bei der Abstimmung über die Bestrafung konnte zunächst Caesar überzeugen, ehe schließlich Cato (Uticensis) mit seiner Rede für die Todesstrafe die Mehrheit des Senats auf seine Seite brachte (Diese beiden Reden bilden in Sallusts Werk Die Verschwörung des Catilina den Hauptteil im Abschnitt über diese Senatssitzung). Die verhafteten Verschwörer wurden noch am selben Abend erwürgt.

Catilina wurde samt samt seinem Heer auf dem Weg Richtung Gallien bei Pistoia gestellt und vernichtet. (Siehe: Die Verschwörung des Catilina)

Drei Jahre nach der Verschwörung – 60 v.Chr. – veröffentlichte Cicero diese 4 Reden gegen Catilina.

Im Jahre 58 v.Chr. wurde Cicero als Verantwortlicher der Hinrichtungen durch ein neues Gesetz (des Clodius) verbannt, allerdings konnte er bereits ein Jahr später wieder zurückkehren. (Siehe: Biografie Ciceros)

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