Herodot

Historien

Inhalt

Dies ist die Darlegung der Erkundung des Herodotos aus Halikarnassos, auf dass, was von Menschen geschehen, nicht mit der Zeit verblasse, noch Taten, groß und des Staunens wert, vorgewiesen von Hellenen wie von Barbaren, ihres Ruhmes verlustig gehen – manches andere und so auch, warum sie Krieg geführt miteinander. — Herodot: Historien 1 (Ü: Walter Marg)

Den Anfang bilden die mythischen Entführungen von Io, Europa, Medea und Helena – gedeutet als rein menschliche Taten –, wobei die letzte bekanntlich den Trojanischen Krieg, den ersten großen Krieg zwischen den Bewohnern Kleinsaiens und Griechenlands entfachte.

Dann folgt ein Zeitsprung: Der für seinen sagenhaften Reichtum noch heute berühmte Lyderkönig Kroisos, will die ebenerst an die Macht gelangten Perser stürzen und ihr Reich erobern. Das Unternehmen misslingt, Sardes wird erobert, Kroisos entmachtet, die Perser gliedern Lydien in ihr Reich ein und damit auch jener Teil der kleinasiatischen Küste, der von Hellenen besiedelt wurde. Erst jetzt blendet Herodot zurück auf die Mederkönige und die Machtübernahme der Perser.

Anläßlich der Feldzüge, die die persischen Könige unternehmen, um ihr Reich zu vergrößern, erzählt Herodot von den Sitten und Gebräuchen jener Länder, von deren Geschichte, ihren Königen, Göttern, den landschaftlichen Gegebenheiten, Bauwerken (z.B. die ägyptischen Pyramiden, die Stadt Babylon), und diversen Kuriositäten des Landes. Auch die Nachbarvölker werden betrachtet, ja bis an die Grenzen der Welt führt der mitteilsame Grieche den Leser.

Höhepunkt des Buches bilden die Kriegszüge der Perser gegen die griechischen Stadtstaaten:

Die Historien des Herodot enden mit der Befreiung Ioniens – Schlacht von Mykale und Eroberung von Sestos – durch die verbündeten Griechen, sowie einer abschließenden Charakteristik der Perser.

Kritik

Herodots Bericht(e) folgen nach eigenen Angaben so weit, als er durch Hören und Erfragen vordringen konnte. Dass dabei manches missverstanden, gelogen oder einfach falsch ist, nimmt Herodot durchaus bewusst in Kauf:

Ich aber bin gehalten zu berichten, was berichtet wird, alles zu glauben aber bin ich nicht gehalten; und das soll für meine ganze Darstellung gelten. — Herodot: Historien 4,30

Deshalb darf es auch niemanden wundern, auf manch bizarre Mitteilungen zu stoßen; je ferner und entlegener die Gegend, desto kurioser und unglaubwürdiger wird der Bericht, selbst wenn der Autor nicht müde wird, immer wieder zu beteuern, etwas selbst gesehen zu haben oder einen Bericht wenigstens aus aller erster Hand und durch verlässliche Zeugen erhalten zu haben. Zum Beispiel über die Inder:

All diese Inder [...] begatten sich öffentlich wie das Vieh, und haben alle die gleiche Farbe, dieselbe wie die Aithiopen. Und ihr Same, den sie von sich geben bei den Frauen, ist nicht hell wie bei anderen Menschen, sondern dunkel wie ihre Haut; solchen Samen haben auch die Aithiopen. — Herodot: Historien 3,101

Am heißesten aber brennt die Sonne [in Indien] früh am Morgen, nicht wie bei anderen mittags, sondern sie steht über ihnen bis zur Zeit, da man den Markt verläßt. In dieser Zeit aber brennt sie viel ärger als mittags in Hellas, so daß die Leute dort, wie man erzählt, die Zeit über im Wasser stehen. — Herodot: Historien 3,104

Freilich sind nicht alle Informationen dermaßen haarsträubend. Herodot hat lange Jahre Informationen gesammelt und dann zu einem (schriftlichen) Werk zusammengefügt – zu einer Zeit, als fast alles ausschließlich mündlich überliefert wurde. Naturgemäß steigt die Glaubwürdigkeit Herodots mit der geografischen Nähe zur Ägäis. Vieles, was wir heute aus der früheren Geschichte Griechenlands wenigstens zu wissen glauben, stammt von Herodot: Die Tyrannis in Athen unter Peisistratos, der Stammbaum der spartanischen Könige, die Wanderungen der Dorer und Ionier, die Tyrannis in Samos, die Völker auf der Peloponnes seien hier nur beispielhaft angeführt.

Die Vielzahl der Geschichten und Geschichtchen stehen nicht lose für sich, sind keine Ergebnisse von Zufälligkeiten und der Willkür des Schicksals. Keine Niederlage, Naturkatastrophe o.ä. "passiert" ohne Vorzeichen und mindestens einer Prophezeiung, die freilich übersehen oder absichtlich ignoriert worden ist. Kein Unrecht und kein Frevel wird von Menschen begangen, das nicht früher oder später durch ein Unglück geahndet würde - die Götter vergessen keine Untat und die Schuld wird oft in der gleichen Generation getilgt, aber sie wird!
Dieser Gedanke und dieses Zurschaustellen von Schuld und Unschuld unterscheidet Herodot wesentlich von seinem "Nachfolger" Thukydides (Der Peloponnesische Krieg), der nicht nach Orakeln sucht und die "Hybris" einzelner Menschen hervorhebt, stattdessen objektiv(er) die (Fehl-)Entscheidungen aufspürt und den Ursachen rational auf den Grund geht.

Es fällt deutlich auf, wie Herodot viele Herrscher zeichnet: Am Zenit ihrer Macht werden sie übermütig, schlagen kluge Ratschläge in den Wind, wagen zuviel und scheitern. Erst angesichts ihrer Entmachtung geben sie sich geläutert und werden zu weisen Ratgebern.
So kann Kroisos (gleich zu Beginn des Werkes) seinen Gast aus Athen, den legendären Gesetzgeber Solon, nicht verstehen: wie kann jener ihn nicht als den glücklichsten Menschen bezeichnen, bekommt er doch Kroisos ungeheure Reichtümer zu sehen

»Doch so, wie deine Frage will, kann ich [Solon] dich [Kroisos] nicht nennen [nämlich, daß Kroisos der glücklichste Mensch sei], bevor ich nicht erfahren, daß du dein Leben glücklich geendet. [...] Denn schon somanchem hat der Gott das Glück gezeigt und ihn dann mit seinen Wurzeln umgestürzt.« — Herodot: Historien 1,32

Die Bedeutung dieser Worte verstand Kroisos erst, als es für ihn zu spät war.
Das Motiv begegnet dem Leser oftmals – in verschiedenen Varianten (z.B. gleich wieder bei Astyages in Hdt.1,129).
Anderen Herrschern hingegen nutzt alle Frömmigkeit und jegliches gute Verhalten nichts, so auch dem ägyptischen König Mykerinos, dem ein baldiger Tod prophezeit wird:

[...] und er sandte zum Orakel und beschwerte sich mit bitteren Vorwürfen bei dem Gott: Sein Vater und sein Oheim hätten die Tempel geschlossen und der Götter nicht gedacht, hätten vielmehr das Volk ins Elend gebracht und hätten doch eine lange Zeit gelebt, und er, ein frommer Mann, solle bald sterben. Und vom Orakel erging ein zweiter Spruch an ihn, der besagte: gerade darum solle das Leben so bald für ihn enden. Denn er tue nicht, was notwendig sei, zu tun. Denn Ägypten solle es einhundert und fünfzig Jahre lang schlecht ergehen, und die beiden, die vor ihm König gewesen, hätten das gemerkt, er nicht. — Herodot: Historien 2,133

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