The Knick
Originaltitel: The Knick

Historische Serie, USA seit 2014 – Regie: Steven Soderburgh

Handlung

Entgegen allen Hoffnungen misslingt dem Chefarzt der Chirurgie und seinem Team wieder eine Operation an einer Placenta praevia. Die Patientin verblutet, das Neugeborene ist tot. Doktor Christiansen verlässt den Saal, geht in sein Zimmer und erschießt sich.
Sein Stellvertreter und engster Freund, Doktor John Thackery, ist um keinen Deut weniger besessen von der Idee, den medizinischen Fortschritt zu Beginn des neuen, 20. Jahrhunderts voranzutreiben. Mit neuen Methoden, neuen Medikamenten und Medikationen, ja sogar neuen chirurgischen Geräten, die er sich nicht nur einfallen lässt, sondern auch selbst herstellt. Diesem Drang unterwirft er nicht nur sein Privatleben, sondern auch seine Gesundheit. Denn die zweite, geheime Sucht Thackerys sind Drogen. Täglich injiziert er sich Kokain – wo immer er noch eine Vene zum Stechen findet – oder sucht die Opium-Höhlen in Chinatown auf. Die Drogen pushen ihn, erhöhen seine Leistungen und Kreativität bzw. lassen ihn zur Ruhe kommen. Zumindest glaubt er das.

Bei der nächsten Vorstandssitzung des Knickerbocker Hospitals wird John Thackery erwartungsgemäß zum neuen Chefarzt der Chirurgie befördert. Doch sein Vorschlag, Dr. Everett Gallinger zum Stellvertreter zu machen, wird abgelehnt. Cornelia Robertson fordert, einen neuen Arzt, einen gewissen Dr. Algernon Edwards anzustellen und mit diesem Posten zu betrauen: einen Mann mit herausragenden Zeugnissen und langjährigen Auslandserfahrungen in Paris.
Ihre Stimme ist maßgeblich, denn ihr Vater Captain Robertson ist der wichtigste Förderer des Krankenhauses. Ohne die finanziellen Zuwendungen der Robertsons wäre das – mit einem jährlichen Minus von 30.000 US$ – defizitäre „Knick" am Ende. Von der nötigen Elektrifizierung und anderen Modernisierungen ganz zu schweigen. Kein Wunder also, dass sich alle Vorstände hinter ihre Forderung stellen.
Zähneknirschend willigt Thackery ein, sich den Kandidaten wenigstens anzusehen.

Doch dabei stellt sich heraus, dass Cornelia Robertson eine „Kleinigkeit“ bei der Beschreibung verschwiegen hatte: Dr. Algernon Edwards ist ein Farbiger, im damaligen Sprachgebrauch „ein Neger“. Für Thackery ist damit alles entschieden: Selbst wenn Dr. Edwards noch so gut wäre, kein Patient im Knick würde sich von einem Farbigen anfassen, geschweigen denn behandeln lassen. Schwarze Ärzte sind in Thackerys Vorstellung nunmal nur für Spitäler mit farbigen Patienten geeignet.

Thackery: Man kann nur weglaufen und zum Zirkus gehen, wenn der Zirkus einen will. Ich will Sie nicht in meinem Zirkus. — The Knick, Folge 1 "Method and Madness"

Auch dem Vorstand gegenüber bleibt er bei seiner Meinung: "Ich werde den Neger nicht einstellen."
Daraufhin wird der „Neger“ vom Finanzvorstand Barrow hinter Thackerys Rücken als neuer Stellvertretender Chefarzt der Chirurgie angestellt. Und Barrow verbreitet diese Neuigkeit im Krankenhauses, vorallem den anderen Ärzten gegenüber, als Entscheidung Thackerys.
Dem Chefarzt bleibt so nur der Ausweg, Edwards zur Kündigung zu drängen. Edwards, selbst vom Vorgehen des Vorstands überrumpelt und in seinem Stolz gekränkt, willligt auch gleich ein, sobald wie möglich zu kündigen.

Aber bei einer Notoperation müssen die vier Chirurgen zusammenarbeiten. Und Edwards – zu Handlangerdiensten degradiert – ist so beeindruckt von den Fähigkeiten und dem Einfallsreichtum des Chefarztes, dass er seine beabsichtigte Kündigung zurückzieht:

Edwards: Ich werde diesen Zirkus nicht verlassen … ehe ich nicht alles gelernt habe, was Sie mich lehren können. — The Knick, Folge 1 "Method and Madness"

Kritik

The Knick ist zwar eine historische Serie, aber dennoch fiktiv. Auch das Krankenhaus Knickerbocker Hospital – 1862 im New Yorker Stadtteil Harlem eröffnet und 1979 geschlossen – liefert der Serie nur den Namen. Authenisch wirkt aber sowohl die Darstellung des Alltagslebens im New York um 1900 als auch die (zum Teil schonungslos) realistischen Operationen.

Zum Alltagsleben zählt auch der Rassismus, der einer der Schwerpunkte der Serie The Knick ist.
Formell war die Sklaverei seit dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs in den USA abgeschafft und seit 1868 besaßen alle Afroamerikaner auch die vollen Bürgerrechte. Doch schon wenige Jahre später hatten viele Bundesstaaten wieder diskriminierende Gesetze eingeführt, die den Status der farbigen Bevölkerung praktisch wieder an jenen vor dem Sezessionskrieg angeglichen. Offiziell hieß es nun "Getrennt, aber gleichwertig", die Betonung lag aber deutlich auf "getrennt" und wurde so auch in der breiten Öffentlichkeit zur Selbstverständlichkeit. (Mehr dazu unten: Historischer Exkurs – Rassismus nach 1865.)
Auch in liberaleren Staaten wie New York waren Hinweistafeln wie "No Niggers, No dogs" (wahlweise ergänzt um "No Irish" oder "No Jews") keine Seltenheit, "Rassentrennung" eine gängige Praxis.
Insofern spiegelt die (anfängliche) Haltung von Dr. Thackery nur die damalige Meinung der breiten Öffentlichkeit wider. Und was Dr. Edwards infolge seiner Entscheidung, seine Tätigkeit in diesem "weißen" Krankhaus nicht aufzugeben, zu erleiden hat, sind die typischen Schikanen, die Gruppen gegen jene Außenseiter einsetzen, derer sie sich mit legalen Mitteln nicht entledigen können. Nicht nur die Geschichtsbücher der Afroamerikaner sind voll davon.

Besetzung

Dr. John W. "Thack" Thackery   … Clive Owen
Dr. Algernon Edwards   … André Holland
Herman Barrow   … Jeremy Bobb
Cornelia Robertson   … Juliet Rylance
Lucy Elkins   … Eve Hewson
Dr. Bertram "Bertie" Chickering Jr.   … Michael Angarano
Dr. Everett Gallinger   … Eric Johnson
Sister Harriet   … Cara Seymour
Tom Cleary   … Chris Sullivan
Captain August Robertson   … Grainger Hines

Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch
: Jack Arniel, Michael Begler, Steven Katz

DVD

Laufzeit:   1. Staffel: 10 Episoden, 488 min. (4 DVDs)
2. Staffel: 10 Episoden, 535 min. (4 DVDs)
Ton:   Dolby Digital 2.0
Sprachen:   Deutsch, Englisch

 

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Historischer Exkurs: Rassismus nach 1865

USA

Nach dem Ende des Sezessionskrieges (1861–1865) war zwar die Sklaverei endlich auch in den gesamten USA abgeschafft und den Afroamerikanern 1868 durch den 14. Zusatzartikel zur Verfassung formal auch die Bürgerrechte zugestanden worden. Doch als in den späten 1870ern ein neuer politischer Wind wehnte, führten zahlreiche Bundesstaaten wieder diskriminierende "Black codes" ein, die die Bürgerrechte der Farbigen (aber auch armer Weißer) beschnitten. Bald war die Situation der Afroamerikanern in einigen Staaten nicht viel anders als vor dem Bürgerkrieg, wobei Schuldknechtschaft u.ä. eine neue, legitime Form der Sklaverei schufen. "Getrennt, aber gleichwertig" lautete nun die offizielle, äußerst euphemistische Auslegung der Gesetze zur Rassenfrage.

Europa

Der Umstand, dass der Anteil "Andersrassiger" in den meisten europäischen Kernländern dermaßen gering war, dass kein Gesetzgeber sich veranlasst sah, spezielle rassistische Regelungen für das Zusammen- oder genauer gesagt Nebeneinanderleben zu formulieren, darf nicht darüberhinweg täuschen, dass die "Vorbehalte" der Europäer gegenüber Farbigen, Asiaten, Indianern usw. nicht wesentlich anders waren als in den USA.
(In Europa lag bis 1945 der Fokus nur vielmehr auf den zahlreichen Nationalitätenkonflikten und dem Antisemitismus. Das Judentum wurde vorallem in Deutschland und Österreich gerne als eigene Rasse interpretiert und von den Nationalsozialisten mit pseudowissenschaftlichen Methoden "erklärt". Die eigentlich rein religiösen Gruppierung wurde jedoch seit dem Mittelalter in ganz Europa immer wieder – in unterschiedlicher Weise – angefeindet und als nicht-zugehörig betrachtet.)
Die Trennung der "Rassen" war hier eine geografische: Kaum ein indiogener Bewohner der europäischen Kolonien kam nach Europa und nur wenige Europäer arbeiteten – für Jahre oder dauerhaft – in den Kolonien oder liessen sich dort gar nieder. Die Situation der Nicht-Weißen in den europäischen Kolonien war ähnlich wie in den USA: Die Sklaverei war abgeschafft (auch z.B. der französische Code Noir) von einer Gleichberechtigung war man aber Welten entfernt. Die Überlegenheit des "weißen Mannes" wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg von kaum jemandem ernsthaft angezweifelt. Die Bandbreite des Rassismus rangierte von "väterlicher Sorge" – die Nicht-Weissen seien wie Kinder und müssen daher geführt werden – bishin zur Ansicht, dass Nicht-Weisse einfach keine Menschen seien. Entsprechend unterschiedlich waren auch die Auswirkungen auf die indiogenen Völker in Südamerika, Afrika, Australien und Asien.

Unabhängigkeitsbewegungen nach 1945

Als mit der Kapitulation Nazi-Deutschlands und Japans 1945 der gemeinsame Feind besiegt war, flammten die Unabhängigkeitsbewegungen in zahlreichen Kolonien (z.T. wieder) auf. Wie schon im Ersten Weltkrieg hatten auch im Zweiten Weltkrieg die abhängigen Länder auf vielfache Weise ihre Loyalität bewiesen. Schwarze, Inder, Araber, Papuas, Philippinos, … hatten Seite an Seite mit den Weissen – ob im Untergrund oder in offenen Schlachten – gelitten, gekämpft und geblutet. Für die Freiheit und gegen die selbsternannten Herrenrassen der Nazis, Faschisten und Japaner. Nun forderten sie ihre Freiheit ein und gleiche politische Rechte. Und für die meisten hieß das: Unabhängigkeit.
Der Prozeß der Entkolonialisierung zeigte zwar schnell Erfolge (z.B. Indien 1947 und Indonesien 1949), verlief aber meist blutig und langwierig, obwohl sich das Selbstverständnis der "Weissen" allmählich änderte und die Wirtschaftlichkeit von Kolonien längst bezweifelt wurde. Es war weniger die Frage, ob man die unterschiedlich abhängigen Ländern in die Unabhängigkeit entlassen sollte, als vielmehr die Frage nach dem "Wie" – denn damit waren vorallem auch handfeste wirtschaftliche Interessen für die Zeit danach verbunden. Der schärfer werdende Kalte Krieg machte zudem somanche (ehemalige) Kolonie zum Schlachtfeld zwischen den Blöcken.

Bürgerrechtsbewegung

Zeitgleich – und mit zunehmender wechselseitiger Wirkung – nahm in den USA die Bürgerrechtsbewegung ihren Kampf gegen die Ungleichheit auf. Und wenngleich die Rassentrennung 1964 durch den Civil Rights Act endgültig aufgehoben wurde, dauerte die Durchsetzung der Gleichberechtigung – vorallem auch in den Köpfen der Menschen – noch Jahrzehnte.
So zäh dieser Fortschritt auch war (und immer noch ist), er bereitete auch das Feld für den (nicht minder mühsamen) Kampf anderer Emanzipationsbewegungen (Frauen, Homosexuelle, …) und leitete zusammen mit der Friedensbewegung (späte 1960er) das Ende der Ära des unmündigen, obrigkeitshörigen Bürgertums ein.

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8. Jänner 2016 / 2017

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